Den meisten Kaninchenbesitzern ist klar, dass ihr Rammler irgendwann kastriert werden muss, wenn es nicht zu ungebetenem Nachwuchs kommen soll. Aber auch die Häsin? Geht das überhaupt?
80% aller weiblichen Kaninchen, die älter sind als 3 Jahre haben Veränderungen an der Gebärmutter.
Von Heimtierspezialisten wird empfohlen, Weibchen in einem Alter von 8 Monaten zu kastrieren.
Unfrieden im Kanickelstall, dominante Häsinnen, die ihre Stallkumpels terrorisieren, Verletzungen untereinander, aber auch Erkrankungen an Gesäuge und Gebärmutter – immer wieder sehen wir in der Praxis diese Fälle. Sie haben ihren Ursprung oft im Fortpflanzungsverhalten der weiblichen Kaninchen.
Warum haben weibliche Kaninchen oft Probleme?
Häsinnen werden abhängig von der Rasse mit vier bis sieben Monaten geschlechtsreif. Im Gegensatz zu Wildkaninchen, deren sexuelle Aktivität im Winter fast völlig erlischt, sind domestizierte Kaninchen praktisch das ganze Jahr über sexuell aktiv. Die Brunst dauert sieben bis siebzehn Tage. Kaninchen haben eine unvollständige Ovulation, das bedeutet der Eisprung wird erst durch den Deckakt ausgelöst. Weitere Faktoren, die den Eisprung auslösen, sind gegenseitiges Berammeln ohne Deckakt, länger werdende Tage im Frühjahr und steigende Temperaturen.
Erfolgt der Eisprung ohne Deckakt und somit ohne Befruchtung der Eizelle, kommt es regelmäßig zu „Scheinträchtigkeiten“. Hormonell läuft’s auf Hochtouren, und die Häsinnen reagieren auf unterschiedliche Weise darauf: Einige Tiere fressen nur weniger, während andere sich so verhalten, als ob sie tatsächlich tragend wären. Sie beginnen mit dem Nestbau, scharren und graben in der Einstreu und rupfen sich Fell aus. Die Weibchen sind häufig unruhig, oftmals auch aggressiv gegenüber Partnertieren und Besitzern. Nach spätestens zwei Wochen bemerkt der Körper seinen „Irrtum“ und kehrt wieder zum Alltag zurück. In der Regel nur kurz, um dann erneut brünstig zu werden…. und täglich grüßt das Murmeltier!
Gerade die Kombination kastrierter Rammler und intaktes Weibchen ist diesbezügliche eine ziemlich frustrierende Zusammenstellung für das weibliche Tier. Sie möchte gerne gedeckt werden. Er ist mit der Situation überfordert und weiß gar nicht, was er tun soll. Ein Paradebeispiel für sexuelle Frustration.
Welche Veränderungen stellt der Tierarzt fest?
Neben Problemen im Verhalten gibt es regelmäßige gesundheitliche Folgen durch das Auf-und-Ab der Hormone: Östrogen und Progesteron sorgen für eine ständig empfängnisbereite Gebärmutter (Uterus) – die ungenutzt immer weiter in Umfang und Größe zunimmt. Es können sich Zysten (flüssigkeitsgefüllte Blasen) bilden. Immer wieder sehen wir auch mit Schleim (Mukometra), Blut (Hämometra) oder Eiter (Pyometra) gefüllte Gebärmütter.
Krankheitssymptomen sind blutiger Urin, Verdauungsstörungen wie Durchfall oder Verstopfung, Schmerzen, Inappetenz oder Fieber. Tumoröse Entartung der Ovarien, des Uterus und der Milchdrüsen mit anschließender Metastasierung in Lunge und Bauchorgane sind regelmäßige Befunde bei nicht kastrierten weiblichen Kaninchen. Insbesondere Tumore der Milchdrüse (Adenokarzinome) sind sehr bösartig.
Wenn das Kaninchen in einem so fortgeschrittenen Krankheitsgeschehen kastriert werden muss, stellt dieser Eingriff ein hohes Risiko da. Wenn schon Metastasen vorhanden sind, kann dem Tier nicht mehr geholfen werden. Ganz abgesehen davon, dass es vor Auftreten klinischer Symptome vermutlich schon längere Zeit still vor sich hin gelitten hat, denn Kaninchen sind wahre Meister im Verstecken von Schmerzen. Aus diesem Grund wird mittlerweile einhellig zu einer Kastration im Alter von 8 Monaten geraten.
Was macht der Tierarzt bei der Kastration?
Wir legen das Kaninchen nach gründlicher Allgemeinuntersuchung in Narkose. Es bekommt einen Venenkatheter und wird mit einem Larynxtubus intubiert. Für die Narkose müssen die Tiere nicht nüchtern sein – im Gegensatz zu Katz und Hund darf bis kurz vorher gemümmelt werden.
Der Bauch wird rasiert und desinfiziert. Dann beginnt die eigentliche OP, bei der die Bauchdecke eröffnet wird. Beide Eierstöcke und der Uterus werden vorgelagert, abgebunden und entfernt. Die Bauchdecke wird anschließend in mehreren Schichten vernäht. Die letzte Schicht nähen wir in der Haut, d.h. die Fäden sind nicht sichtbar und werden als weniger störend vom Tier empfunden.
Ein Schmerzmittel und ein Antibiotikum sorgen für einen schmerz- und komplikationsfreien Heilungsverlauf. Um zu vermeiden, dass die Wunde beleckt oder verschmutzt wird, kann ein Body (buntebunnybodys.de) hilfreich sein. In aller Regel sind die Häsinnen bereits am Folgetag wieder fit.
Zeitpunkt und Risiken der Kastration
Während heutzutage bei Rammlern zu einer Frühkastration geraten wird, wird bei weiblichen Kaninchen bevorzugt, den Eingriff mit 8 Monaten durchzuführen. Die körperliche Entwicklung ist weitgehend abgeschlossen, aber das Hormonkarussell spielt noch nicht völlig verrückt. Zudem ist das Risiko der Operation eines gesunden, jungen Tieres deutlich geringer.
Tierhalter sollten eine bereits gebärmutterkranke Häsin schnellstmöglich kastrieren lassen. Das Risiko der Operation steigt mit dem sich verschlechternden Allgemeinzustand außerdem rasant an.
Das Risiko der Narkose beim Kaninchen hat sich mit Einführung der vollständig antagonisierbaren Tripple-Narkose und durch Verwendung der Inhalationsnarkose deutlich verringert.
Zwar treten beim Heimtier immer noch häufiger Narkosezwischenfälle auf, als bei Hund und Katzen. Dennoch ist die Kastration eines weiblichen Kaninchens aus tierschutzrechtlichen Gründen unbedingt anzuraten.