Immer häufiger werden Chinchillas zu uns in die Praxis gebracht. Grund: Zahnprobleme beim Chinchilla. Unsere Schulpraktikanten fragen eigentlich jedes Mal, was denn das wohl für Tiere sind. Sie sehen exotisch aus, wie sehr große stilisierte Mäuse und werden auch als Wollmäuse bezeichnet.
Ursprünglich stammen die Tiere aus Südamerika und leben dort in Gebirgsregionen. Ihrem samtweiches Fell verdanken sie traurige Berühmtheit als Pelzlieferanten. Die Fellfarbe reicht von dunkelgrau, graubraun, beige bis hin zu weiß. Außerdem haben Chinchillas winzig kleine witzig aussehende Hände und Füße.
Info: Chinchillas können 15-20 Jahre alt werden. Ihr Gewicht liegt zwischen 400 und bis zu 1000g.
Sie gehören zu den Nagetieren und besitzen somit eine hochspezialisierte Gebißform mit permanent wachsenden Zähnen ohne Wurzel. Die 4 Schneidezähne sind bräunlich-orange verfärbt, was normal ist. Wenn diese weiß werde, leidet das Chinchilla an Kalziummangel.
Durch falsche Fütterung wird die Zahnsubstanz nicht ausreichend abgerieben. Die Zähne wachsen weiter und die normalerweise senkrecht aufeinander stehenden Backenzähne verbiegen sich im Oberkiefer Richtung Backentasche.
Info: Es ist enorm wie viel so ein Chinchillazahn pro Woche wächst, nämlich bis zu 2mm! Dieses Wachstum muss durch einen ebenso großen Abrieb wieder ausgeglichen werden. Und hier liegt die Crux.
Im Unterkiefer wachsen die Zähne Richtung Zunge und entwickeln durch den falschen Abrieb messerscharfe Spitzen, die sich in die Zunge bohren können. Die Zähne verhaken sich ineinander, was normale Kaubewegungen unmöglich macht. Spätestens jetzt kann das Tier nicht mehr fressen, nimmt stark an Gewicht ab, beginnt zu Speicheln und hat Schmerzen.
Untersuchung in Inhalationsnarkose
Eine aussagekräftige Untersuchung beim Chinchilla erfolgt in Narkose. Dazu werden die kleinen Gesellen in eine Box aus Plexiglas gesetzt, in den ein Narkosegas eingeleitet wird.
Ohne Narkose sind sie kaum zu fixieren. Außerdem handelt es sich um Fluchttiere, für die Festgehalten zu werden Todesangst bedeutet.
Wenn sie dann schlafen, schauen wir nach einer gründlichen Allgemeinuntersuchung die Kopfregion an und tasten diese ab, wobei wir besonderes Augenmerk auf die Palpation des Kiefers legen. Danach öffnen wir die Maulhöhle mit Hilfe eines Kiefer- und Wangenspreizers. Chinchillamundhöhlen sind sehr eng und nicht einfach einsehbar. Eine beleuchtete Lupenbrille ist da sehr hilfreich. Mit einem Spatel wird die kleine Zunge zur Seite geschoben. Der Tierarzt entfernt vorhandene Futterreste und beurteilt anschließend die Zähne, die Maulschleimhaut und den Rachen.
Über die Länge der Zähne kann jedoch keine wirkliche Aussage getroffen werden, weil das Zahnfleisch bei verlängerten Zähnen ebenfalls mitwächst und somit eine Elongation (zu langes Zahnwachstum) maskiert. Auch die unteren Zahnbereiche sind natürlich nicht sichtbar.
Röntgenuntersuchung
Eine abschließende Beurteilung eines Gebisses ist ohne Röntgenuntersuchung nicht möglich. Deswegen ist zur Beurteilung eines Chinchillagebisses (und das gilt auch für alle anderen Gebisse) ein Röntgenbild unabdingbar.
Als Grundlage dienen zwei Ebenen: die seitliche (laterolateral) und eine „von oben“ (dorsoventral). Dabei müssen die Tier korrekt gelagert werden und dürfen nicht verkippen. Die Bilder werden daraufhin nach Asymmetrien, Verschattungen, Aufhellungen oder Auftreibungen abgesucht. Zur Objektivierung des Röntgenbefundes werden die Linien nach Böhmer und Crossley eingezeichnet, die uns sagen, ob Zähne zu lang wachsen und, ob der Biss in der richtigen Stellung liegt. Bei Verdachtsmomenten können mit Hilfe von dentalen Röntgenuntersuchungen isolierte Bilder von Oberkiefer und Unterkiefer angefertigt werden.
Anhand der Befunde werden die Zähne bei Bedarf korrekt eingeschliffen. Dabei achten wir darauf, dass das Verhältnis zwischen Schneide- und Backenzähnen stimmt.
Achtung: Auf keinen Fall dürfen die Zähne mit einer Zange geknipst werden! Das kann zu Zahnfrakturen und ernsten Entzündungen bis hin zu Abszessen führen.
Korrekte Fütterung
Leider kommen viele Tiere schon mit einem „End-Stage-Gebiss“, das heißt dass schon so starke Veränderungen vorhanden sind, dass ein simples Einschleifen, das Problem nicht beheben wird. Zudem tolerieren viele Chinchillas Zahnbehandlungen nicht gut und beginnen trotz erfolgreicher OP nicht wieder zu fressen. Das kann sehr frustrierend sein und endet nicht selten mit einer Euthanasie des Tieres. Aus dem Grund ist die korrekte Fütterung so wichtig.
Als Gebirgsbewohner fressen Chinchillas Gräser und Kräuter- also rohfaserreiches und nährstoffarmes Futter. Sie sind jedoch sehr krüsch und neigen dazu sich leckere Dinge herauszupicken. In Pelztierfarmen bekommen sie Pellets. Die dort lebenden Tiere werden aber auch nicht alt. Für ein Chinchilla, welches ein möglichst hohes Alter erreichen soll, sind Pellets eher ungeeignet. Man muss sich immer wieder vor Augen halten, dass die 2mm jede Woche auch abgenutzt werden müssen.
Außerdem hilft eine simple Denkaufgabe für diejenigen, die gerne mal ein kleines Leckerli füttern: Ein 1 kg schweres Chinchilla bekommt „nur“ einen Yoghurtdrop. Das würde bedeuten, dass wir davon bei unserem Gewicht 50-60 Drops essen müssten!